Pressebericht Gespräch Dr. Streckenbach
7. Juni 2018
Dies ist der gesamte Text des Presseberichtes:
„Immer die Ruhe bewahren“
Geriatrer Uwe Streckenbach gibt Ratschläge für Angehörige zum Umgang mit Demenzkranken
von Chris Cortis
WERRA-MEISSNER.
In Deutschland leiden rund 1,8 Millionen Menschen an Demenz, davon der überwiegende Teil an der Alzheimer-Erkrankung. Dabei handelt es sich um eine erworbene Gedächtnis- und Denkstörung, für die es trotz weltweiter Forschung an Medikamenten, Impfstoffen und anderen Ansätzen bis heute keine kausale Therapie gibt, will heißen: eine Heilung ist nicht möglich. Wie aber sollten Angehörige mit Betroffenen umgehen? Darüber sprachen wir mit dem Chefarzt der Geriatrie am Klinikum Werra-Meißner und Vorsitzenden der Alzheimer Gesellschaft im Kreis, Dr. Uwe Streckenbach.
Vergesslichkeit mit Auswirkungen auf die Arbeit und das tägliche Leben, Sprach-, räumliche und zeitliche Orientierungsprobleme, Persönlichkeits-, Stimmungs- und Verhaltensänderungen, Verlust der Eigeninitiative und eingeschränkte Urteilsfähigkeit gehörten zu den Warnsymptomen, so der Internist, Geriater und Palliativmediziner. Wegen des schleichenden Beginns der Erkrankung sei eine umfassende Diagnostik durch den Fachmediziner unabdingbar, auch um andere Krankheiten auszuschließen.
Im Umgang mit Betroffenen immer die Ruhe zu bewahren und dem Patienten einen klar strukturierten Tagesablauf zu ermöglichen, seien oberste Gebote. So sollte der Kranke seine Gewohnheiten und Hobbys möglichst beibehalten und darin noch gefördert werden. Wichtig sei auch die Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte. Sehr typisch für den Demenzkranken sei der Drang, tagsüber, aber auch nachts, umherzuwandern. Deswegen sollten Vorsorge an Türschlössern oder Gartentüren getroffen und im Haus eine gleichbleibende, vertraute Umgebung mit sicheren Wegen geschaffen werden. Hilfreich könne in diesem Fall auch sein, den Betroffenen am Tag möglichst aktiv zu halten.
Ausdrücklich warnt Dr. Streckenbach vor Aggressions- oder Wutausbrüchen des Patienten, die man mit Gelassenheit und niemals persönlich nehmen sollte. Sinnvoll seien Ablenkungen in der Weise, dass Angehörige vorschlagen, genau das zu tun, was der Betroffene sonst auch gerne macht. Und zur eigenen Sicherheit dürfe man die Kraft eines Demenzkranken nicht unterschätzen.
Die Grenzen des Pflegenden würden schnell erreicht, wenn der Kranke seiner Bezugsperson ständig hinterherlaufe und keine Sekunde aus den Augen lasse, weiß der Mediziner. Wenn der Kranke dann doch einmal allein bleiben müsse, sollte man ihm versichern, bald zurückzukehren, oder jemanden aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis bitten, sich derweil um den Patienten zu kümmern. In jedem Fall aber sollte man Streit oder unbeherrschte Reaktionen vermeiden und nicht lautstark auf seiner eigenen Privatsphäre beharren. Den Demenzkranken sollte man in seiner eigenen Welt belassen, jeder Versuch der Richtigstellung führt zu Misstrauen und Aggression.
Bei Niedergeschlagenheit oder Depression sollte der erste Weg immer zum Arzt führen, rät der Fachmediziner. Das sind nur einige unter noch mehr guten Ratschlägen, worüber die Alzheimer Gesellschaft im Internet gern Auskunft erteilt unter www.alzheimer-wmk.de
Zur Person
Dr. Uwe Streckenbach (53) wurde in Heiligenstadt geboren, ist dort aufgewachsen und auch zur Schule gegangen. Der verheiratete Vater von zwei Kindern lebt mit seiner Familie in Schimberg. Er studierte Humanmedizin an der Universität in Leipzig und ist Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin, Geriater und Palliativmediziner. Nach seiner Facharztausbildung war er zunächst Oberarzt in der Geriatrie am Krankenhaus in Eschwege und ist seit fünf Jahren Chefarzt des Zentrums für Geriatrie am Klinikum Werra-Meißner. Musik und handwerkliche Tätigkeiten zählt er zu seinen Hobbys. (zcc)